Über 107'000 Unterschriften überreicht!

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Heute Morgen haben die Behindertenorganisationen insieme Schweiz, Vereinigung Cerebral Schweiz und Procap Schweiz zusammen mit betroffenen Jugendlichen und einem Dutzend Nationalräten/-innen über 107’000 Unterschriften der Petition «Berufsbildung für alle – auch für Jugendliche mit Behinderung» bei der Bundeskanzlei in Bern deponiert. Die Petitionäre fordern von Bundesrat und BSV, dass die Hürden für die zweijährige Berufslausbildung für Jugendliche mit Behinderung nicht erhöht werden. Sie wehren sich gegen einen Abbau aus reinen Rentabilitätsgründen.

Um 10.30 Uhr besammelten sich heute rund 80 Personen auf dem Bundesplatz in Bern, um die 107’675 Unterschriften der Petition «Berufsbildung für alle – auch für Jugendliche mit Behinderung» einzureichen. In einem symbolischen Hürdenlauf überbrachten betroffene Auszubildende aus dem Kanton Bern, die Protagonisten aus der TV-Doku-Soap «Üsi Badi» und rund ein Dutzend Nationalräte/-innen aus dem prominent zusammengesetzten Patronatskomitee der Bundeskanzlei die Unterschriftsbogen.

In nur vier Monaten haben es Betroffene, Basismitglieder der drei Organisationen, engagierte Eltern und Ausbildende zustande gebracht, viele Menschen von dem Anliegen der Petition zu überzeugen. Walter Bernet, Zentralpräsident von insieme Schweiz und selbst Vater von zwei Söhnen mit Behinderung, brachte das Ansinnen der Petitionäre auf den Punkt: «Wir fordern vom Bundesrat, allen Jugendlichen mit Behinderung eine Berufsausbildung zu garantieren. Auch stärker beeinträchtigten Jugendlichen, die später vielleicht nicht viel verdienen können oder in einer geschützten Werkstätte arbeiten werden. Mit unserer Petition wollen wir ein Zeichen setzten. 100’000 Menschen tragen unser Anliegen mit. Sie empfinden es als ungerecht, dass gerade Jugendlichen mit Behinderung eine berufliche Förderung abgesprochen werden soll, weil sich diese vermeintlich wirtschaftlich nicht rechnet. Gerade sie sind auf besondere Förderung angewiesen.»

Ähnlich argumentierte auch die Aargauer SP-Nationalrätin Pascale Bruderer, Vetreterin des 20-köpfigen parlamentarischen Unterstützungskomitees: «Ganz offensichtlich sind wie ich Tausende der Meinung, dass Jugendlichen mit Beeinträchtigung der Zugang zur Berufsbildung nicht erschwert werden darf. Dies würde nicht nur dem Grundsatz von Fairness und Solidarität widersprechen, sondern auch dem politischen und gesellschaftlichen Ziel einer verstärkten Integration.» Und die Freiburger CSP-Nationalrätin Marie-Thérèse Weber-Gobet, ebenfalls Mitglied des Patronatskomitees, wehrte sich in ihrer Stellungnahme gegen die zunehmende Ökonomisierung der Bildung. «Ich spreche mich in aller Deutlichkeit dagegen aus, dass Menschen mit einer Behinderung aus Wirtschaftlichkeitsgründen nur noch punktuell gefördert werden.» Und: «Im Zentrum stehen andere Bildungsziele, nämlich die Entfaltung der Persönlichkeit, der Erwerb von Schlüsselqualifikationen sowie grundlegenden Arbeits- und Sozialkompetenzen.»

Diese wichtigen Aspekte der Ausbildung betonten auch Alexandra Weibel, Thomas Schmutz und Tanja Krähenbühl, welche gerade ihre zweijährige praktische Ausbildung in der Stiftung Bad Heustrich im bernischen Emdthal absolvieren. In eindrücklichen Schilderungen aus ihrem Arbeitsalltag zeigten die Jugendlichen auf, wie ihnen die Berufsausbildung in Küche, Gartenbau oder Gärtnerei hilft, Fähigkeiten zu trainieren und Zukunftsperspektiven für ihr Leben zu entwickeln. Michael Gehrig, Leiter des Sozialdienstes der Stiftung Bad Heustrich, warnte denn auch vor einer Verkürzung oder Einschränkung der Lehrzeit, wie sie das BSV in seinem Rundschreiben vom 30.Mai 2011 ankündigte. «Ich bin überzeugt, dass die beruflichen Chancen von jungen Erwachsenen mit geistiger Behinderung mit einer Verkürzung der Ausbildung geschmälert werden, insbesondere auch von jenen, die auf eine Arbeit im ersten Arbeitsmarkt hoffen. Ziel der Ausbildung ist es, neben den beruflichen Fertigkeiten auch Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit, Höflichkeit, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit – um nur einige zu nennen – zu vermitteln. Wird nun die Ausbildung verkürzt, können solch wichtige Verhaltensregeln und die Inhalte, wie sie im Ausbildungsprogramm vorgesehen sind, nur noch in geraffter Form oder gar nicht mehr vermittelt werden», betonte er.

Die grosse Unterstützung der Petition sei ein klares Signal an den Bundesrat, jetzt eine Kurskorrektur vorzunehmen, stellte insieme-Präsident Walter Bernet fest. «Wir wollen, dass alle, auch leistungsschwache Jugendliche mit Behinderung, eine Berufsbildung erhalten. Das ist die Botschaft, die wir heute an die politisch Verantwortlichen richten», sagte er.
Die über 100’000 Unterschriften, die zu drei Viertel auf der Strasse und nur zu einem kleinen Teil online gesammelt worden sind, hätten politisch zudem noch eine ganz andere Bedeutung, stellte Procap-Mediensprecher Bruno Schmucki fest. «Wer bisher glaubte, die Behindertenorganisation seien nicht in der Lage, um sich gegen die unsozialen IV-Revisionen zu wehren, muss schleunigst umdenken. Wir haben mit dieser Petition bewiesen, dass wir referendumsfähig sind.»

Die  Online-Dokumentation zur Medienkonferenz mit
–   allen Redebeiträgen der Medienkonferenz vom 12.09.2011
–   Statements aller 20 Mitglieder des parlamentarischen Patronatskomitees
–   Factsheet und Argumentarium zur Petitition und zur Berufsbildung
für Jugendliche mit Behinderung
finden Sie unter: www.berufsbildung-für-alle.ch

Weitere Auskünfte:
–   Bruno Schmucki, Mediensprecher Procap Schweiz, Mobile 079 647 01 03

–   Christa Schönbächler, Co-Geschäftsleiterin insieme Schweiz,
Mobile 078 936 27 24

–   Charly Darbellay, Vize-Präsident Zentralvorstand Vereinigung, Cerebral Schweiz, Mobile 079 545 25 21

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